1. Tag: Silvretta Stausee-Wiesbadener Hütte
Pünktlich um 5:00 Uhr war Abfahrt zu unserer diesjährigen Hochtour ins Silvretta Gebirge. Schon die Anfahrt, über eine der schönsten und beliebtesten Panoramastraßen der Alpen, war ein Genuss; die Silvretta-Hochalpenstraße führt 22,3 km von Partenen im Montafon (1.051 m) in 34 Kehren über die auf 2.032 m hoch gelegene Bielerhöhe (Mautstraße; 16,50€/PKW); sie ist gleichermaßen beliebt bei Motorradfahrern wie auch bei Radfahrern. Bewundernswert wie einige Radler sich mit Gepäck, und wohlgemerkt ohne Akku, Kehre für Kehre nach oben kämpften.
Ausgangspunkt und Treffpunkt für alle war der Parkplatz am Silvretta Stausee. Nach einer kleinen Stärkung mit einer wunderschönen Aussicht auf den See und auf die umliegende Bergwelt starteten wir erst um 10:00 Uhr. Wir, das waren 10 hochmotivierte Tourengeher, 3 Frauen und 9 Männer. Mit Martina und Siggi konnten wir dieses Jahr zwei neue Gesichter begrüßen. Um es vorwegzunehmen, sie haben sich bestens integriert und unsere Truppe bereichert.
Unser Weg führte kurz am Ostufer des Sees entlang, anschließend folgte ein längerer Steilaufstieg (zwischen Ochsental und Bieltal) durch Schrofengelände bis zum Radsattel auf 2652m Höhe; immer im Blick die Gipfelwand des Hohen Rad. Unterwegs passierten wir die Radschulter, von welcher der Radsteig sich einen Geröllhang hochschwingt auf den Gipfel des „Fast-Dreitausender“ Hohes Rad (2934m); Manuela, Wolfgang, Christian und Gerhard, die Leistungsstärksten in unserer Truppe ließen es sich nicht nehmen, diesen Gipfel zu besteigen.
Vom Radsattel, mit fantastischer Aussicht auf Piz Buin, sowie Ochsentaler-und Vermuntgletscher, ging es nun bergab zur Wiesbadener Hütte (2443m). Hier erwartete uns bereits Siggi Schemel; er wählte die elegantere Variante am Ufer des Sees entlang und anschließend durchs Ochsental zur Wiesbadener Hütte. In Absprache mit dem Hüttenwirt nahm er sogleich die Quartiereinteilung vor.
2. Tag: Wiesbadener Hütte- Jamtalhütte
Ausgeschlafen und durch das ausgiebige Frühstück in der Wiesbadener Hütte gestärkt gingen wir den gleichen Weg wie am Vortag bis zur Radschulter zurück. Er führte uns zunächst über große Wiesen und zum Schluss über eine steile, felsige Passage den Hang hinauf bis zum Übergang. Hier überschritten wir die Landesgrenze zwischen Vorarlberg und Tirol und es folgte, über viel Geröll der steile Abstieg ins Bieltal. Das Tal zeigte sich mit grünen Wiesen und seinen alpinen Pflanzen von seiner schönsten Seite. Wir überquerten den idyllischen Bieltal-Bach und gelangten über eine Alubrücke auf die andere Seite. Zunächst ging es gemächlich bergauf, dann aber wurde es immer unwegsamer, bis kein Weg mehr zu erkennen war. Aufgeschichtete Steinhaufen gaben die Richtung vor, Schweißtreibend über Stein und Geröll kämpften wir uns in Serpentinen aufwärts, in Richtung Getschner Scharte auf 2839 m Höhe. Dabei passierten wir auch einige Altschneereste des nahegelegenen Madlenerferners. Zurückgehende Gletscher, Steinwüsten und Geröllfelder offenbaren hier deutlich die Veränderung des Klimas, Stolz waren wir am höchsten Punkt des Tages angekommen und konnten den Weiterweg begutachten; in der Ferne war sogar unser heutiges Tagesziel, die Jamtalhütte, zu erkennen. Wie das letzte Drittel des Aufstiegs, so ist auch das erste Drittel des Abstiegs unangenehm zu gehen: Stein, Fels und loses Geröll verlangten von uns volle Konzentration.
Ab jetzt ging es stetig bergab. Nach einiger Zeit und einigen steilen Metern an einer Felswand entlang wurde die Szenerie lieblicher; grüne Wiesen mit einzelnen Alpenblumen und ein dahin fließender Gletscherbach waren ein Genuss fürs Auge nach so viel Grau mit Geröll und Stein. Wir überquerten, elegant jonglierend über Felsbrocken, noch einen Bach und genossen in dieser Idylle noch eine Pause. Das letzte Stück führte uns durch ein mit hohen Sträuchern dicht bewachsenes Wiesenstück, ehe wir den reisenden Jambach mit seinem grünen Gletscherwasser auf einer neu erbauten Brücke querten. Vorbei an einigen großen Steinen fiel uns mit Blick auf die Jamtalhütte (2165m) der letzte kleine Gegenanstieg nicht mehr schwer.
3. Tag: Jamtalhütte, Gletscher Scharte- Heidelberger Hütte
Die Strapazen des Vortages waren nicht ohne Folgen: Zum einen hatte Franz ein Schwund von 3 Bergwanderern zu verzeichnen, so dass wir fortan nur noch zu neunt unterwegs waren, Zum anderen hatte Martina massive Probleme mit ihren Wanderschuhen. Die Sohle löste sich an beiden Schuhen. Was tun, war nun die Frage? Jetzt kam unser Gerhard ins Spiel, ein Spezialist für schwierige Fälle. Mit Kabelbinder, Panzerklebeband und dem nötigen technischen Geschick gelang es ihm, die Schuhe so zu präparieren, dass Martina die Tour zu Ende gehen konnte. Um es vorwegzunehmen, es war die Königsetappe und dies bei Kaiserwetter. Von der Hütte gingen wir auf einem leicht ansteigenden Weg am herrlichen Futschölbach bergauf; grüne Wiesen mit weidenden Kühen, immer wieder unterbrochen durch graue Felsbrocken, prägten dieses Wegstück bis zum Finanzerstein , einem großen Felsbrocken. Ab hier ging es steil bergauf, und mit zunehmender Höhe wurde das Gelände steiniger. Der Aufstieg zum Kronenjoch (2980m) über loses Geröll war mühsam und schweißtreibend. Das Kronenjoch bildet die Staatsgrenze zwischen Österreich und der Schweiz. Nachdem wir 2017 die Zugspitze mit 2962m und 2018 die Schesaplana mit 2965m bestiegen, war es an der Zeit die 3000er Grenze zu knacken. Mit dem Grenzeck-Kopf hatten wir die Gelegenheit. Vom Kronenjoch aus gingen wir auf einem schmalen felsigen Grat, der den Grenzverlauf zwischen der Schweiz und Österreich bildet, Richtung Gipfel. Nach einer kurzen Kraxelei über Felsblöcke gelangten wir letztendlich zum Gipfel mit seinem stattlichen Gipfelkreuz. Mit einer Höhe von 3048m hatten wir die 3000er Marke gerissen. Wir machten eine kleine Pause auf dem Gipfel und genossen bei stahlblauem Himmel einen fantastischen Blick auf die umliegende Bergwelt. Nach ein paar Bildern, dem obligatorischen Gipfelschnaps von Thomas und dem Eintrag ins Gipfelbuch führte unser Weg wieder zum Kronenjoch zurück. Ab jetzt ging es nur noch bergab und komplett auf Schweizer Staatsgebiet bis zur Heidelberger Hütte. Der Abstieg führte uns ein längeres Stück über Geröllflächen, weglose Schrofen und Steinwüsten, auch dies ein Zeichen des Klimawandels, hinunter bis zum Fimbabach. Hier wechselte die Vegetation, die Geröllfelder wurden weniger, grüne Wiesen mit weidenden Schafen und Kühen sowie der idyllisch dahinfließende Gletscherbach prägten das letzte Wegstück bis zur Hütte. Endlich angekommen, stärkten sich die einen mit einem leckeren Kaiserschmarren, während die anderen verlorengegangene Energie mit dem obligatorischen Weizenbier wieder zuführten. Ein Novum erlebten wir auf der Heidelberger Hütte: unsere mitgebrachten Schlafsäcke wurden zuerst in einem Mikrowellengerät erhitzt, erst dann durften wir sie mit aufs Zimmer nehmen; hiermit will man verhindern, dass Bettwanzen eingeschleppt werden!
4. Tag: Heidelberger Hütte – Ischgl
Die Heidelberger Hütte ist Etappenpunkt der Transalp Classic Route von Oberstdorf nach Riva am Gardasee; diese Route wird sowohl von Radfahrern als auch von Wanderern begangen. Auch wir kommen mit einer Gruppe ins Gespräch, die auf einer Alpenüberquerung unterwegs ist. Heute geht es nur noch bergab. Unser Weg führte uns immer am Fimbabach entlang, relativ flach und bequem, durch das gleichnamige Tal Richtung Ischgl. Wiesen und Weiden säumten unseren Weg, immer wieder trafen wir auch auf Murmeltiere; nach ca. 2 km verlassen wir das Schweizer Staatsgebiet (von Grenzkontrollen keine Spur) und sind wieder in Österreich. An der nahegelegenen Bodenalpe vorbei, ging es dann weiter auf Asphalt bis zur Mittelstation der Silvretta Seilbahn. Hier endet unsere diesjährige Tour. Das letzte Stück des Weges ersparten wir uns, wir nahmen die Silvretta Bahn und kamen direkt im Zentrum von Ischgl an. Der heutige Tag zeigte uns in aller Deutlichkeit den Wandel in der Alpenwelt, zunächst die unberührte und wilde Naturlandschaft des oberen Fimbatals und dann das Sportindustriegebiet von Ischgl mit seinen Liftmasten, Fahrstraßen, Schneekanonen, Seilbahnstationen, Betriebsgebäuden usw. Wie heißt es doch „Natur pur finanziert nicht den Wohlstand der Bergbewohner“, daher ist sie hier verschwunden.
Von Ischgl aus fuhren wir mit dem Bus über Galtür zurück zu unserem Ausgangspunkt auf die Bieler Höhe. Hier erlebten wir eine faustdicke Überraschung; unsere Autos waren nicht mehr vorzufinden, diese wurden „um geparkt“ und wir fanden sie am äußersten Rand des Parkplatzes wieder; der gesamte Platz wurde für eine Openair-Veranstaltung hergerichtet; der Zeltmeister sagte uns, der Abschleppdienst aus Bludenz sei bereits bestellt (Kosten ca. 700 €); schließlich hatten wir es dem Verhandlungsgeschick von Martin Grossmann zu verdanken, dass der Abschleppdienst sofort abbestellt wurde und wir nochmals mit einem blauen Auge davon kamen.
Die Tour hat bei uns allen bleibende Eindrücke hinterlassen; sie war, wie wir es von Franz kennen, perfekt geplant und super vorbereitet. Wie in den Vorjahren hatte er auch bestes Hochtourenwetter bestellt. Hierfür gilt Franz unser aller Dank. Ein besonderer Dank geht auch an Ellen, die für eine reibungslose Organisation im Vorfeld sorgte.
Josef Fischer